Interview – Im Gespräch mit Daniel Koch

Die Corona-Pandemie ist eine der grössten Krisen in der Schweizer Geschichte. Bis zu seinem Rücktritt im Juni hat Daniel Koch, Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit BAG, die Kommunikation des Bundes geprägt.

Urs Kühne, Redaktor

Herr Koch, seit bald einem Jahr sind wir mit der Corona-Pandemie konfrontiert. Wie lange müssen wir noch mit dem Corona-Virus leben?

Es wird sicher noch einige Monate dauern. Wir haben seit dem Ausbruch der Pandemie viel gelernt und wirksame Präventivmassnahmen entwickeln können. Es ist zu hoffen, dass bald Impfstoffe zur Verfügung stehen, mit denen wir zusammen mit den bereits be­stehenden Möglichkeiten die Pandemie in den Griff bekommen. Das Virus wird wohl nicht ganz verschwinden, aber wir werden damit richtig umgehen können, wie das bei vielen anderen Viren auch der Fall ist.

 


Im Rückblick auf Ihre Arbeit als «Mister Corona»: Was ist Ihnen besonders gelungen?

Es ist uns in der ersten Welle gelungen, mit einheit­lichen, konsistenten Botschaften zu kommunizieren – obwohl natürlich auch innerhalb der Corona Task Force unterschiedliche Meinungen bestanden. Doch der geschlossene Auftritt nach aussen hat sicher in der Bevölkerung vertrauensbildend gewirkt. Dage­gen stelle ich im Rückblick fest, dass zu früh zu vie­le Experten mitredeten. Zum Vergleich: Wenn man sich in irgendeiner Form krank fühlt, rennt man nicht als Erstes zum Spezialisten. Sondern man geht zum Hausarzt, der als Allgemeinpraktiker den Überblick hat. Erst danach ist es sinnvoll, auf dessen Rat den richtigen Spezialisten aufzusuchen.

In der Kommunikation zwischen Bund und Kantonen bzw. Interessenvertretern aus Wirtschaft und Gesundheitswesen ist in letzter Zeit einiges schiefgelaufen. Wo liegen die Probleme und wie kann die Situation verbessert werden?

Am Anfang der Corona­-Pandemie war die Kommunikation für das Bundesamt für Gesundheit einfacher, weil sich noch kaum einzelne Anspruchsgruppen mit ihren speziellen Interessen zu Wort meldeten. Wie in jeder Krise änderte sich das mit dem weiteren Verlauf und die Informationsbedürfnisse wurden vielfältiger, individueller und komplexer. Es ging nicht mehr nur um die Kommunikation der präventiven Verhaltensregeln für jeden Einzelnen sowie der Symptome von Covid­19. Es stellten sich Fragen nach den Einflüssen der Pandemie auf das gesamte Gesundheitssystem, auf die Wirtschaft, das Bildungswesen. Die Fragen und Interessen wurden detaillierter und spezifischer, was die Kommunikation des Bundes anspruchsvol­ler machte. Diese Entwicklung vom Einfacheren zum Vielfältigen, Komplexen widerspiegelt das Fortschreiten der Krise selbst.


Im Gesundheitswesen leiden viele unter der immensen Arbeitsbelastung. Mit welchen Mitteln lässt sich diese Situation verbessern?
Es geht nicht nur darum, dass das Pflegepersonal zu viel oder zu lange arbeitet. Mehr Personal oder der Einsatz der Armee löst das Problem nicht. Denn es geht besonders auch um die psychische Belastung. Wenn man den ganzen Tag für Covid­-19-­Patienten mit zum Teil schweren Symptomen da ist, hinterlässt das Spuren, die man nicht einfach so wegsteckt. Das zehrt an den Kräften und kann zu Erschöpfung bzw. Krankheit führen. Auch hat man nach der ersten Wel­le verpasst, die Anliegen der Pflegenden schnell ge­nug aufzugreifen. Das darf sich nicht wiederholen.

Soll es einen Impfzwang geben, sobald ein Impfstoff zur Verfügung steht?
Das zwangsweise Impfen ist von der gesetzlichen Grundlage her nicht möglich. Ich bin aber auch gegen ein Impfobligatorium. Denn Zwang führt immer zu Wi­derstand und Verweigerung. Die Menschen müssen selber entscheiden können; entsprechend positiver ist ihre Einstellung. Zudem ist auch nicht klar, wie die Impfstoffe genau wirken, wenn sie dann einmal zur Verfügung stehen. Wie lange hält der Schutz vor einer erneuten Infektion an? Wie wirken sie sich zum Bei­spiel auf bereits bestehende Krankheiten, andere Me­dikamente aus? Antworten auf solche Fragen werden erst Monate nach der Impfung möglich sein. Und ganz wichtig: Die Impfung wird nicht die Lösung der Corona­-Krise sein, sondern eine weitere Massnahmen.

Wie verhält es sich mit den Tests?
Ich bin der Meinung, dass zu wenig getestet wird. Die Dunkelziffer von Infizierten ist in der Schweiz sehr hoch. Viele von ihnen wissen gar nicht, dass sie das Corona-­Virus in sich tragen und möglicherweise andere anstecken. Ich vermute, dass viele eine gewisse Hemmung haben, sich testen zu lassen, weil Szena­rien wie Quarantäne usw. abschreckend sind. Andere Länder wie Dänemark haben vorgemacht, dass ihre Bevölkerungen sich schneller und mehr testen lassen, wenn die Quarantänezeit deutlich verringert wird. Diese Länder haben die zweite Welle viel besser im Griff. Doch wie beim Impfen gilt auch beim Testen: Ein Zwang würde nichts bringen; erstens wegen des Widerstands und zweitens, weil unser Gesundheits­wesen, die Auswertung flächendeckender gar nicht bewältigen könnte.

Die Aktion Zahnfreundlich bedankt sich bei Daniel Koch herzlich für das Gespräch und wünscht ihm für die Zukunft alles Gute.


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