Rheumatoide Arthritis: Alles gesund im Mund?

Viele Betroffene mit rheumatoider Arthritis haben schon zu Beginn Probleme mit den Zähnen. Wirkt sich die doppelte Entzündung auf den Verlauf aus?

Seit vielen Jahren vermuten Ärzte einen Zusammenhang zwischen dem Entstehen einer rheumatoiden Arthritis (RA) und einer Parodontitis, also einer Entzündung des Zahnhalteapparates: Bei beiden Erkrankungen lassen sich verschiedene entzündungsfördernde Botenstoffe (Zytokine) in erhöhter Konzentration nachweisen. Diese Zytokine regeln das Wachstum und die Differenzierung von Zellen, können aber auch eine überschiessende Immunantwort hervorrufen.

Studien legen den Verdacht nahe, dass Bakterien die Entstehung von Autoantikörpern fördern. Dazu passt, dass Rheumafaktoren und CCP-Antikörper bei Patienten mit RA und Parodontitis häufiger auftreten als bei RA-Patienten mit gesundem Zahnfleisch. Doch hat eine Parodontitis auch Auswirkungen auf den Verlauf der rheumatoiden Arthritis? Dieser Frage sind Wissenschaftler des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums nachgegangen. Die Deutsche Rheuma-Liga hat das Vorhaben finanziell unterstützt.


Fragebogen zur Parodontitis

In einem Teilprojekt der Früharthritisstudie Course and Prognosis of Early Arthritis, Verlauf und Prognose der frühen Arthritis (CAPEA), entwickelten die Epidemiologen des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ) mit Unterstützung der Deutschen Rheuma-Liga einen Fragebogen für Betroffene mit zwölf Fragen zur Mundgesundheit. Gaben die Betroffenen ihr Einverständnis, umfasste die Analyse auch eine Einschätzung des behandelnden Zahnarztes sowie mögliche Röntgenbilder.

Drei Zahnärzte an der zahnärztlichen Hochschule der Universität in Birmingham begutachteten die Unterlagen unabhängig voneinander im Hinblick darauf, ob eine Parodontitis vorliegt. Ergebnis: Von den 353 Teilnehmern mit ausgefülltem Fragebogen und mit der Antwort der Zahnärzte hatten nach zahnmedizinischer Einschätzung 70 Prozent eine Parodontitis, und zwar 33 Prozent eine leichte, 26 Prozent eine mässige und 11 Prozent eine schwere Zahnbettenzündung. 30 Prozent hatten nach Einschätzung der behandelnden Zahnärzte keine Probleme.

Zahnzahl als Indikator

Anschliessend analysierten Wissenschaftler am DRFZ die Übereinstimmung zwischen den Patientenangaben, den Zahnarztbefunden und den Röntgenbildbefunden. Sie entwickelten ein Punktesystem aus sechs Angaben der Betroffenen und überprüften seine Aussagekraft. Diese Angaben reichen aus, um auf eine Parodontitis zu schliessen – wenn auch ungenauer als die zahnärztlichen Befunde. Allerdings fanden die Forscher ein anderes Mass, um möglichst gut vorhersagen zu können, ob eine Paradontitis vorliegt: Allein die Angabe der Zahl der verbliebenen Zähne in Zusammenschau mit dem Patientenalter reicht aus, um Betroffene mit einer leichten Parodontitis zuverlässig zu erkennen beziehungsweise um eine schwere Parodontitis auszuschliessen.

Aus der Kerndokumentation liegen Daten für mehr als 1000 Betroffene mit Früharthritis und für mehr als 7000 Betroffene mit bekannter, oft langjähriger RA vor. Dort gibt es ebenfalls Angaben zur Zahl der verbliebenen Zähne. Die Forscher werteten diese aus, um den vermuteten Zusammenhang zwischen Zahnverlust und Entzündungsaktivität der RA zu untersuchen. In beiden Studien hatten zwei von drei Patienten einen bis mehrere Zähne verloren. Jeder zehnte Betroffene hatte keine eigenen Zähne mehr.

Risikofaktor Rauchen

Zu Beginn der Arthritis war ein deutlicher Zusammenhang zwischen Entzündungsmarkern und der Anzahl der Zähne zu sehen. So hatten Patienten mit wenigen oder keinen Zähnen im Durchschnitt die höchsten Werte für die Blutsenkungsgeschwindigkeit oder das C-reaktive Protein (CRP). Sie hatten häufiger Rheumafaktoren oder positive ACPA-Werte im Blut, rauchten häufiger und waren durchschnittlich 15 bis 20 Jahre älter als Patienten mit vollständigem Gebiss.

Der Zusammenhang zwischen geringer Zahnzahl und hohen Entzündungswerten blieb bestehen, nachdem die Ergebnisse um die Altersunterschiede und das Rauchverhalten korrigiert wurden. Der Verlauf der Arthritis in den beiden ersten Krankheitsjahren unterschied sich in Abhängigkeit von der Zahnzahl nicht mehr relevant: In allen Gruppen senkten Medikamente die Entzündung vergleichbar gut. Bei den Betroffenen, die schon mindestens zehn Jahre mit RA lebten und fast alle entzündungshemmende Antirheumatika erhielten, gab es weiterhin einen Zusammenhang zwischen höheren Entzündungsmarkern im Blut und Zahnverlust.

Die Patienten mit wenigen oder keinen eigenen Zähnen hatten allerdings nicht mehr geschwollene Gelenke als Patienten mit vollständigem Gebiss. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die Zahnzahl zwar als Indikator für eine Parodontitis mit erhöhten Entzündungsmarkern im Blut einhergeht. Diese Blutwerte spiegeln aber nicht zwangsläufig eine Entzündungsaktivität in den Gelenken wider. Die Studie liefert keinen Hinweis darauf, dass der Verlauf der Arthritis durch das Vorliegen einer Parodontitis beeinflusst wird – vorausgesetzt, es erfolgt eine Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten. Das Forscherteam bedankt sich bei allen Betroffenen, die mit dem Ausfüllen der Fragebögen beigetragen haben.

 


Autorinnen: Dr. Katinka Albrecht und Dr. Johanna Callhoff sind Wissenschaftlerinnen in der Arbeitsgruppe Versorgungsforschung im Programmbereich Epidemiologie am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin, ein Leibniz-Institut.

Dieser Artikel ist im Juli 2021 auf www.rheuma-liga.de erschienen. Zweitabdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen und der Deutschen Rheuma-Liga.

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